zur Erinnerung
Schaden von 12 Milliarden Euro In der Cum-Ex-AffÀre kann nur ein Mann dem Kanzler wirklich gefÀhrlich werden

FOCUS-online-Reporter Axel Spilcker

Dienstag, 05.12.2023, 18:05

Seit 2016 laufen die Ermittlungen zur Cum-Ex-AffĂ€re, dem grĂ¶ĂŸten Steuerraub der deutschen Finanzgeschichte. Nun ist ein neues Dokument aufgetaucht, das Bundeskanzler Olaf Scholz erneut in BedrĂ€ngnis bringen könnte. Aber wirklich gefĂ€hrlich kann ihm wohl nur ein Banker werden.

Morris MacMatzen/Getty Images Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen BĂŒrgerschaft

WĂ€hrend Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seinem Ampel-Kabinett immer noch den Königsweg aus der Haushaltsmisere sucht, hĂ€ngt ihm die Cum-Ex-AffĂ€re aus seiner Zeit als Erster BĂŒrgermeister in Hamburg an wie eine Klette. Seit drei Jahren durchleuchtet der parlamentarische Untersuchungsausschuss in der hanseatischen BĂŒrgerschaft die Rolle von Scholz und seinem damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) im grĂ¶ĂŸten Steuerraub der deutschen Finanzgeschichte.

Dabei geht es in erster Linie um politische Protektion illegaler Cum-Ex-GeschĂ€fte durch die Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Tschentscher und Scholz bestreiten jegliche Einflussnahme zu Gunsten des kleinen aber feinen Geldinstituts. Allerdings konnten sie bisher auch nicht erklĂ€ren, warum der Hamburger Fiskus der Warburg-Bank in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 90 Millionen Euro SteuerrĂŒckzahlungen aus kriminellen Cum-Ex-GeschĂ€ften schenkte.

Zumal das zustĂ€ndige Finanzamt fĂŒr Großunternehmen lange Zeit die Meinung vertrat, dass die zu Unrecht kassierten Steuergewinne in die Staatskasse zurĂŒckfließen mĂŒssten.

Schaden von mindestens 12 Milliarden Euro

Das Blatt wendete sich nach Treffen zwischen Scholz und dem Warburg-Chefbanker Christian Olearius. Im November 2016 verzichtete die Hamburger Finanzkasse auf die erste fĂ€llige RĂŒckzahlung in der Höhe von 47 Millionen Euro. Eben jene Finanzbeamtin, die Wochen vorher noch wegen drohender VerjĂ€hrung auf die RĂŒckflĂŒsse bestand, knickte im Einvernehmen mit der Spitze des Finanzamtes ein und verzichtete auf die Millionen. Gleiches geschah auch im Jahr darauf. Auch in jener Phase war Hamburgs Stadtoberhaupt Scholz mit dem Warburg-Mehrheitsgesellschafter zusammengekommen.

Bei Cum-Ex-GeschĂ€ften erschwindelt ein Finanzkarussell im Zuge von AktiengeschĂ€ften Kapitalertragsteuer, die zuvor nie an den Staat abgefĂŒhrt wurde. Mitunter kassierten Banken, Investoren, Aktiendealer und Steuerberater gleich mehrfach Geld vom Fiskus. Experten schĂ€tzen den Schaden auf mindestens zwölf Milliarden Euro. Der Bundesgerichtshof hat diese Masche in höchster Instanz als strafbare Handlung gewertet.

Vor dem Hintergrund sucht der Hamburger Untersuchungsausschuss zu ergrĂŒnden, warum die Finanzbehörden an der Alster den krummen Aktiendeals der Warburg-Bank einen Persilschein ausstellten. Half der heutige Bundeskanzler nach? Folgt man der Opposition rund um den hartnĂ€ckigen CDU-Obmann im parlamentarischen Kontrollgremium, Richard Seelmaecker, reicht die Indizienkette dazu aus, dem heutigen Kanzler rechtswidrige Einflussnahme zu unterstellen. So geht der gelernte Jurist von etlichen Vertuschungsmanövern durch Scholz und dessen Leute aus.

Scholz bekam plötzlich GedĂ€chtnislĂŒcken

Da ist zum Beispiel das Nebelkerzengeschwader um die drei ZusammenkĂŒnfte zwischen Scholz und Olearius. ZunĂ€chst einmal bestritt das Hamburger Rathaus, dass es diese Treffen gegeben hatte. Offenbar hatte die hanseatische Politspitze nicht damit gerechnet, dass die Kölner Staatsanwaltschaft entsprechendes Beweismaterial in petto hielt.

Die Cum-Ex-Schwerpunktabteilung, die inzwischen bundesweit 120 Verfahren mit 1700 Beschuldigten aus der Finanzelite fĂŒhrt, ermittelt auch in drei Cum-Ex-FĂ€llen in Hamburg. 2016 ließ die Abteilungschefin Anne Brorhilker die Warburg Bank und die PrivatrĂ€ume Gesellschafter durchsuchen. Bei Warburg-Chef Olearius fanden sich kompromittierende TagebĂŒcher. Diese belegten drei Treffen mit Olaf Scholz. Und zwar just, als das Cum-Ex-Steuerproblem aufkam.

Erst als diese Begegnungen bekannt wurden, ruderten die Verantwortlichen zurĂŒck und rĂ€umten die Geschehnisse ein. Olaf Scholz, inzwischen Bundesfinanzminister, musste sich im Bundestag zu der AffĂ€re erklĂ€ren und schilderte zumindest Details aus einem der Treffen.

Ein Jahr spĂ€ter im Hamburger Untersuchungssauschuss ließ ihn sein GedĂ€chtnis allerdings völlig im Stich. Im August 2022 konnte sich der damalige SPD-Kanzlerkandidat nicht mehr an den Inhalt der GesprĂ€che erinnern. Nur eines wusste Olaf Scholz sicher zu behaupten: Er habe nie bei den Hamburger Finanzbehörden auf einen RĂŒckzahlungserlass zu Gunsten der Warburg-Banker eingewirkt.

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Opposition: Etliche Indizien legen Schuld von Scholz nahe

An diesem Punkt beginnt die Crux in der Cum-Ex-AffĂ€re. Bisher ist es weder dem Untersuchungsausschuss noch der Kölner Staatsanwaltschaft gelungen, das Gegenteil zu beweisen. Vor einem Jahr noch betonten die rheinischen AnklĂ€ger, dass man nicht gegen den Kanzler und seinen Nachfolger im BĂŒrgermeisteramt, Tschentscher, in der Cum-Ex-Causa ermittele. Die Indizien reichen bisher nicht fĂŒr einen Tatverdacht aus. Auch in den TagebĂŒchern des Warburg-Mehrheitseigners Olearius findet sich kein eindeutiger Hinweis, dass sein GesprĂ€chspartner Scholz ihm seine Hilfe in der Steuerangelegenheit versprochen habe.

Die Opposition im hanseatischen Untersuchungsausschuss sieht dies anders. Demnach legen etliche Indizien die Schuld von Tschentscher und Scholz nahe.

So hatten die Warburg-Justiziare im Jahr 2016 eine Art Verteidigungsschrift angefertigt. Tenor: Sollte man die Millionen zurĂŒckzahlen mĂŒssen, drohe der Bank die Pleite. Scholz wies Warburg-Chef Olaerius nach einer zweiten Zusammenkunft telefonisch an, dieses Papier an seinen Finanzsenator zu schicken. Tschentscher reichte die Schrift nach unten weiter. In einer grĂŒnen Randnotiz bat er um "Informationen zum Sachstand". Kurz darauf verzichtete das Finanzamt auf die RĂŒckzahlung der Millionen aus den Cum-Ex-Deals.

Wurde dieser Sinneswandel von oben angeordnet? Sollte dies der Fall sein, so fehlen bislang schriftliche Beweise. Zudem haben die zustÀndigen Finanzbeamten im Untersuchungsausschuss jegliche politische Einflussnahme abgestritten.

Banker ist der einzige Beteiligte, der Scholz wirklich gefÀhrlich werden kann

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln auch gegen jene Sachbearbeiterin, die letztlich das SteuerprĂ€sent an die Warburg per Bescheid versandte. Doch auch hier tun sich die Strafverfolger schwer, die Beschuldigte zu ĂŒberfĂŒhren. Und auch wenn diverse Medien immer wieder angeblich entlarvende Dokumente zu Lasten des Kanzlers veröffentlichen: Ein Blattschuss ist nicht darunter.

Wenn seinerzeit gemauschelt wurde, dann eher telefonisch oder im Hinterzimmer. Ein schriftlicher Beweis, der Anweisungen durch Scholz und Tschentscher an den Fiskus belegt, fehlt komplett. Zumal die Betroffenen sich entweder nicht erinnern können oder schweigen.

Warburg-Gesellschafter Olearius muss sich derzeit wegen krimineller Cum-Ex-Deals vor dem Bonner Landgericht verantworten. Es geht um einen Schaden von 280 Millionen Euro. Wer aber glaubt, der 81-jĂ€hrige Banker wĂŒrde etwa ĂŒber den Inhalt der damaligen GesprĂ€che mit Olaf Scholz auspacken, sieht sich getĂ€uscht. Einem Mantra gleich beteuerte Olearius seine Unschuld. Weder wissentlich noch willentlich habe er an strafbaren Cum-Ex-GeschĂ€ften mitgewirkt, behauptete der Warburg-Gesellschafter am 16. Oktober auf der Anklagebank.

Eine SchĂ€digung des Staates habe ihm ferngelegen, vielmehr sei er von legalen AktiengeschĂ€ften ausgegangen. Bei den Treffen mit dem heutigen Bundeskanzler will der Angeklagte Scholz einzig ĂŒber die schwierige Lage seiner Bank informiert haben. Mehr nicht. Olearius ist wohl der einzige Beteiligte in dieser AffĂ€re, der Scholz wirklich gefĂ€hrlich werden kann.

SPD und GrĂŒne nicht bemĂŒht um AufklĂ€rung

Am Ende bleibt Folgendes festzuhalten: Die Hamburger Regierungskoalition aus SPD und GrĂŒnen erweckt im Untersuchungsausschuss den Anschein, als wĂ€re ihnen nicht sonderlich an einer AufklĂ€rung gelegen. So streitet sich rot-grĂŒn mit der Opposition ĂŒber den Umgang mit mehr als 700.000 möglicherweise brisanten E-Mails. Das Konvolut hatte die Kölner Staatsanwaltschaft im Rahmen der Cum-Ex-Ermittlungen beschlagnahmt und im Oktober dem Hamburger Untersuchungsausschuss auf Asservaten-Laptops ĂŒbergeben.

Die E-Mails stammten etwa von der langjĂ€hrigen Scholz-Vertrauten und BĂŒroleiterin Jeanette Schwamberger sowie Tschentscher und zahlreichen Topbeamten. Der SPD-Vorsitzende des Untersuchungsausschusses verweigerte jedoch den Zugang zu den Mails. Der Grund: Auch Inhalte könnten betroffen sein, die nicht den Untersuchungsauftrag des Ausschusses umfassten.

Die rot-grĂŒne Regierungsmehrheit im Ausschuss verfĂŒgte, dass zunĂ€chst nur zwei Mitarbeiter des Arbeitsstabes die E-Mails nach relevanten Inhalten sichten dĂŒrften: CDU und Linkspartei drĂ€ngen hingegen darauf, dass zumindest die Obleute aller Fraktionen den Gesamtbestand einsehen dĂŒrfen. Der Vize-CDU-Fraktionschef Seelmaecker erwĂ€gt gar, gegen diesen Beschluss zu klagen.

Zu guter Letzt sei erwĂ€hnt, dass sich das Bundesfinanzministerium spĂ€ter in die Hamburger Cum-Ex-AffĂ€re einschaltete und die RĂŒckzahlung der Millionen durch die Warburg Bank erzwang.


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© infos-sachsen / letzte Änderung: - 17.07.2023 - 09:04